„Der Krankenhaus-Beschluss ist weder seriös noch glaubwürdig!“

„Der Krankenhaus-Beschluss ist weder seriös noch glaubwürdig!“

Frank Hamann, Vorsitzender der Flensburger Linksfraktion, hält in seiner (sehr) „ungehaltenen Rede“ das Vorgehen der Ratsmehrheit bei eine übereilten Beschlussfassung für politisch motiviert – gegen gesundheits- und gleichstellungspolitische Fakten

In der Ratsversammlung vom 10.06.2021 hat eine Mehrheit aus CDU, SSW, SPD und FDP den Satzungsbeschluss für die Bauplanung des neuen Zentralkrankenhauses beschlossen. Frank Hamann konnte kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Versammlung teilnehmen, hatte aber einen Redebeitrag bereits vorbereitet. – Wir veröffentlichen hier Franks (im doppelten Wortsinn!) „ungehaltene Rede“:

Nun soll er also gefasst werden, der Satzungsbeschluss zum Neubau des Zentralkrankenhauses…
Die Ratsfraktion DIE LINKE wird das ablehnen. Nicht weil die Pläne fehlerhaft wären. Wir halten uns nur an unser Wort! Das hat etwas mit Glaubwürdigkeit und Verantwortung zu tun.

Nachdem bekannt wurde, dass es in dem neuen Krankenhaus keine stationären Schwangerschaftsabbrüche geben wird, regte sich berechtigterweise Widerstand – und das nicht nur von Fraueninitiativen wie dem Flensburger Frauenforum, sondern weit darüber hinaus. Auch einige der hier anwesenden Fraktionen hatten frühzeitig angekündigt, einem Satzungsbeschluss nicht zuzustimmen, wenn die Frage der stationären Schwangerschaftsabbrüche durch Diako und Malteser nicht geklärt sein sollte.

Immerhin hat die Stadt einen gültigen Vertrag mit der Diako von 1995, der klar die Sicherstellung des Angebotes garantiert. Auch unter geänderter Trägerschaft. Nicht umsonst ist Flensburg 2018 auch der EU-Gleichstellungscharta beigetreten. Das hat auch deshalb Bedeutung, als dass Frauen in unserer Region bei klinischen Schwangerschaftsabbrüchen gegenüber allen anderen nicht nochmal „extra“ benachteiligt werden dürfen.

Erwähnenswert ist auch der Beschluss der Ratsversammlung von 2019 (RV-45/2019), in dem die kommunalen Interessen bezüglich des Krankenhausstandortes Peelwatt definiert wurden: „Es ist gemeinsames Ziel von Stadt und den Krankenhausträgern, die medizinische Versorgung vor Ort im bestehenden Umfang zu sichern.“

Am 06.11.2019 hat auch der Gleichstellungsausschuss mit großer Mehrheit eine Resolution gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen im neuen Flensburger Krankenhaus verabschiedet.

Schon 2018 wurde bei einer Diskussion im Rat (zur Vorlage RV-114/2018, 2.Erg.) von Bürgermeister Henning Brüggemann festgestellt: „Wichtig ist die Klärung und Beschlussfassung zu kommunalen Interessen und der Form ihrer Sicherung rechtzeitig vor der abschließenden Verhandlung und Unterzeichnung der städtebaulichen Verträge zum Krankenhausneubau.“

Das sind nur Auszüge der 855 Dokumente und 377 Anlagen, die ich im Vorfeld der heutigen Sitzung nochmals durchgearbeitet habe. – Also sollte doch alles geklärt sein, oder?

Allerdings war schon die Diskussion dieses Satzungsbeschlusses in den letzten Tagen, z.B. im Planungsausschuss (SUPA) äußerst verwunderlich: Die Grünen stellen im SUPA nur noch Fragen zu möglichen Konflikten des Radverkehrs und zu Gründächern. Den SSW interessiert am meisten die Frage der Bahnanbindung. Die SPD will im SUPA gar nicht über Schwangerschaftsabbrüche diskutieren… Und die CDU spricht durch Herrn Schmidt.Skipiol von einem „Schaulaufen der weltanschaulichen Ansichten“! – Und das alles, um den heute vorliegenden Satzungsbeschluss so schnell wie möglich durchzupeitschen.

Und dann die „Krönung“: Der Ausschussvorsitzende des SUPA erklärte, dass doch bei bei einem Treffen in den Räumen von Robbe & Berking schon 2018 darauf hingewiesen worden sei, dass es keine stationären Schwangerschaftsabbrüche geben würde… Ich war als LINKER nicht bei dieser „Sitzung“ dabei. Wäre mir auch neu, dass das ein neuer Tagungsort wäre… Und wenn dort  irgendwelche Pläne diskutiert worden sind, wäre es doch das Allermindeste, darüber umfassend im Ausschuss zu berichten!

Der Vorsitzende des Sozial- und Gesundheitsausschusses sagte neulich so nebenbei, ihm sei von Anfang an, also seit Anfang 2018, klar gewesen, dass mit den Maltesern keine Schwangerschaftsabbrüche zu machen sein. – Da frage ich mich, warum er dieses Einzelwissen nicht rechtzeitig in den zuständigen Ausschüssen geteilt hat…

Das meine ich mit dem Verlust der Glaubwürdigkeit. Selbst wohlwollenden Beobachter*innen muss sich der Eindruck aufdrängen, dass vieles was hier früher gesagt worden ist, nur Lippenbekenntnisse sind.

Ich hatte im SUPA den Antrag auf Lesung gestellt. Nach Meinung meiner Fraktion ist die Vorarbeit erledigt, der Satzungsbeschluss vorbereitet. Hierzu nochmals mein Dank an die Verwaltung für die schnelle und professionelle Abarbeitung des politischen Auftrages. – Jetzt könnten wir doch in aller Ruhe darauf warten, mit welchem Ergebnis die Verhandlungsgruppe zum Thema Schwangerschaftsabbrüche aufwartet. Aber nein, das Thema soll vor den vier anstehenden Wahlen in den nächsten Monaten und Jahren schnell vom Tisch.

Dabei gibt es noch mehr Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem Neubau: Jetzt hat sich herausgestellt, dass das Katharinen-Hospiz keine zugesagten Fördergelder für die dringend benötigte Erweiterung erhält, weil das neue Krankenhaus eine eigene Palliativstation baut und die Gelder dahin fließen. – Oder: Wir planen ein Therapiebecken im Campusbad, weil die Diako das Angebot vor Jahren eingestellt hat. Was aber, wenn es im neuen Krankenhaus auf einmal doch so ein Becken gibt?

Heute steht übrigens in der Flensborg Avis, dass die von Corona gebeutelten Pflegebeschäftigten nicht die zugesagten Vergütungen erhalten. – Erinnern Sie sich daran, dass ich genau zum Thema „Arbeitsbedingungen und Bezahlung“ frühzeitig im Rat nach städtischen Einflussmöglichkeiten gefragt habe? Damals wurde ich belächelt…

Und bei der Frage einer möglichen städtischen Alternativ-Lösung für Schwangerschaftsabbrüche ist alles noch völlig ungeklärt. Bevor wir nun womöglich die letzte Steuerungsmöglichkeit aus der Hand geben sind mindestens noch folgende Fragen zu klären: Wer wird da Betreiber? Wer baut „das Ding“? Wer trägt die Kosten und die Risiken? Wie hoch wären die überhaupt? Wollen wir das so überhaupt? Und: Was kommt als nächstes?

Nach meinem Kenntnisstand haben die geplanten Betreiber Diako und Malteser noch nicht einmal einen gemeinsamen Vertrag für die neue Trägergesellschaft abgeschlossen. – Und Sie drücken heute hier bei X ungeklärten Fragen und Voraussetzungen so aufs Tempo…?!
Für uns LINKE ist das weder seriös noch glaubwürdig noch gesundheitspolitisch verantwortlich.
Und genau deshalb sagen wir zum heutigen Zeitpunkt sehr deutlich „Nein“ zu diesem übereilten Satzungsbeschluss!