Der Verzicht auf klinische Schwangerschaftsabbrüche ist kein „Modell“!

Der Verzicht auf klinische Schwangerschaftsabbrüche ist kein „Modell“!

SPD und Grüne wollen mit einem Antrag im Sozial- und Gesundheitsausschuss gynäkologische Praxen stärken und das Verbot von Abbrüchen im neuen Zentralklinikum akzeptieren. Linksfraktion und Bündnis Solidarische Stadt halten dagegen und beantragen u.a. die Prüfung einer Trägerschaft fürs neue Krankenhaus ohne die katholischen Malteser.

Jetzt müssen wir ‘mal gemeinsam ran!“ – Darin waren sich Birte Lohmann, Ursula Thomsen-Marwitz (beide vom Bündnis Solidarische Stadt, BSS) und Herman U. Soldan-Parima, sozial- und gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion, schon nach der Mai-Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses (SuG) schnell einig. SPD und Grüne hatten einen Antrag mit dem ausladenden Titel „Flensburger Modell“ vorgelegt, der – wen wundert‘s? – der Feststellung von Oberbürgermeisterin Simone Lange folgte, bei Schwangerschaftsabbrüchen zukünftig ohne Krankenhaus oder eine eigene Frauenklinik auf mehr gynäkologische Praxen und ein durch die Stadt finanziertes Beratungsnetzwerk zu setzen. Er wurde jedoch auf die Juni-Sitzung verschoben.

Herman U. Soldan-Parima erklärt dazu: „Das Fürchterliche ist die Hasenfüßigkeit vor dem katholischen Krankenhausträger, die sich monatelang im Arbeitskreis Schwangerschaftsabbrüche (AK) und bei den meisten politischen Fraktionen breit gemacht hatte. Sie verzichten seit langem auf die Umsetzung der Ratsresolution von 2019, die eine Fortsetzung klinischer Abbrüche auch im neuen Krankenhaus fordert. Und nun kommen ausgerechnet SPD und Grüne an, und wollen einen neuen Sonderweg beschreiten, bei dem die Stadt für die Verweigerung der katholischen Malteser geradestehen und bezahlen soll!

Darüber herrschte Einigkeit zwischen Birte Lohmann, Ursula Thomsen-Marwitz und Herman U. Soldan-Parima. Für die SuG-Sitzung im Juni erarbeiteten sie daher einen Gegenantrag, bei dem nicht nur die Fortsetzung von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern auch eine neue Struktur des AK Schwangerschaftsabbrüche hin zu einem öffentlich, transparent und unter fachlich-medizinischer Leitung tagenden Gremium, das auch eine Trägerschaft ohne katholische Malteser untersuchen soll. Genau dies war nämlich bisher nicht geschehen.

Hier den Antrag von BSS und Linke im Ratsinformationssystem nachlesen.

Am 27.06. wurden im SuG beide Anträge zum Thema. Wie unausgegoren der SPD/Grüne-Antrag war, zeigte sich in der Beratung. De facto erlegt er der Verwaltung mehrere Aufgaben auf, die eher als Prüfauftrag gelten könnten, die aber auch Kosten für die Stadt auslösen – ohne jedoch auch den Finanzausschuss mit einzubeziehen. Und um die Stimme der FDP zu bekommen, strichen SPD und Grüne kurz vor der Abstimmung auch noch den „investiven Zuschuss der Stadt beim Ausbau von OP-Räumen“ heraus. Vom selbst erklärten „Flensburger Modell“, das sich auch andere Kommunen zum Vorbild nehmen sollten, war danach nicht mehr viel übrig…

Ursula Thomsen-Marwitz und Herman U. Soldan-Parima legten in der Vorstellung ihres BSS/Linke-Antrags im Ausschuss besonderen Wert auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, auf die gleichstellungspolitischen Bekenntnisse der Stadt und auf die kritische Distanz weiter der Teile der Stadtgesellschaft zur katholischen Verweigerungshaltung. Die von ihnen geforderte Öffnung des AK Schwangerschaftsabbrüche, dessen fachlich-medizinische Stärkung sowie eine Beteiligung der Öffentlichkeit war ein weiterer zentraler Punkt ihrer Argumentation.

Letztlich stimmten neben SPD und Grünen auch SSW und FDP für den Ursprungsantrag und setzten sich dabei sowohl über gleichstellungs- als auch über moderne gesundheitspolitische Argumente hinweg. – Herman U. Soldan-Parima kommentierte dies anschließend so: „Es ist wirklich nicht zu fassen, dass man mit so einem wackeligen Antrag behauptet, das Beste für betroffene Frauen erreichen zu wollen, auf klinische Abbrüche als das Normalste von der Welt zu verzichten – und letztendlich noch einmal vor dem reaktionären Frauenbild der Malteser einzuknicken! SPD, Grüne und SSW haben sich mit ihrer Mehrheit endgültig von einer modernen, feministischen Haltung verabschiedet.“

Dass der Vorsitzende des SuG, Edgar Möller (SSW), den Antrag von BSS und Linksfraktion noch nicht einmal zur Abstimmung aufgerufen hatte, kritisierte Herman U. Soldan-Parima per Protokollnotiz scharf: „Eigentlich hätte unser Antrag, der weitgehender war als der Ursprungsantrag, zuerst aufgerufen werden müssen! Nun allerdings haben wir den Vorteil, dass wir unseren Antrag in leicht veränderter Form noch einmal vorlegen können.“ – Dazu werden sich die drei Verfasser*innen des Antrags demnächst austauschen; schließlich war die bisherige Zusammenarbeit einmütig und positiv.