„Frauentag“: Verfestigte Ungleichheit und Diskriminierung – auch in Flensburg!

Eine (Zwischen-)Bilanz zu frauenpolitischen Themen von Herman U. Soldan-Parima, gleichstellungspolitischer Sprecher der Flensburger Ratsfraktion Die Linke
Vier Jahre lang habe ich mich im Gleichstellungsausschuss der Stadt Flensburg sowie in der Ratsfraktion Die Linke mit Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsthemen beschäftigt und auch Forderungen dazu gestellt – und vor allem Flensburger Fraueninitiativen haben dies immer noch deutlicher und auch zahlreich getan. Vorangekommen ist allerdings nur wenig – und in einigen Bereichen gibt es sogar handfeste Rückschritte. Teile davon hat die Mehrheit der Kommunalpolitik mit zu verantworten.
Im Folgenden möchte eher kurz einige Punkte aufzeigen, die Flensburg eben nicht „bunt“ machen, sondern die Ungleichheit immer wieder neu zementieren:
1. Erst gestern gab es wieder den jährlichen „Equal Pay Day“, an dem jährlich der unakzeptable Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen thematisiert wird: Er liegt immer noch bei 18 Prozent bzw. bei 7 Prozent bei gleichwertigen Jobs. – Hier stellt sich so langsam die Frage, ob es nicht eher eines monatlichen (!) Aktionstages zu diesem Thema bedarf, anstatt einmal im Jahr die gebündelte Medienmacht für ein zweifelhaftes Feuerwerk von Lippenbekenntnissen zu bemühen. Lohn darf nicht länger ein wohl gehütetes Geheimnis in den Unternehmen sein, sondern muss für alle Beschäftigten transparent sein, damit alle das Gleiche bekommen – egal ob in Chefetagen, in der Gastronomie oder in sozialen Berufen! Dies sollten auch die Flensburger Akteure stärker herausstellen.
2. Aktuell berichtet das Bundesamt für Statistik, dass Frauen mindestens 30 Prozent weniger Alterseinkünfte als Männer bekommen. Und besonders Frauen sind nach einem langen Arbeits- und Familienleben stärker von Altersarmut betroffen – auch in Flensburg. Hier hilft nur die Einführung einer armutssichernden Mindestrente von rund 1.300 Euro. Dafür sollte sich auch die Kommunalpolitik bei ihren Parteispitzen in Berlin stark machen; schließlich müssen soziale Transferzahlungen, die eigentlich gar nicht ausreichen und Armut eher verstärken, aus den zumeist sehr knapp bemessenen kommunalen Kassen bezahlt werden!
Und noch zu drei Flensburger Themen:
3. Immer wieder wird von der „Teilzeitfalle“ gesprochen. Sie trifft besonders Frauen, die ihre Arbeitszeit wegen drohender Überlastung im Job und/oder in der Familienzeit zu Hause reduzieren. In Schleswig-Holstein arbeitet mehr als jede zweite Frau in Teilzeit, im Flensburger Rathaus, wo fast drei Viertel aller Beschäftigten Frauen sind, beträgt die Teilzeitquote 42 Prozent, aber 85 Prozent der Teilzeitarbeit wird von Frauen geleistet. – Im Verlauf der Vorbereitungen für den „Aktionsplan Geschlechtergerechtigkeit“, in die 2021 auch der Gleichstellungsausschuss einbezogen war, schlug ich für die Linksfraktion vor, als Zielvorgabe eine Teilzeitbeschäftigung von ca. 32 Stunden als Regelfall festzulegen. Wer Teilzeit arbeiten möchte, bräuchte dies dann nicht mehr zu beantragen, während diejenigen, die bis zu 40 Stunden arbeiten möchten, dies beantragen müssten. Bei den politischen Vertreter*innen im Ausschuss fand dieser Vorschlag jedoch keine Mehrheit…
4. Die angeschlagene wirtschaftliche Situation des Diako-Krankenhauses hat aktuell zu einem Insolvenzverfahren geführt. Nicht erst seit den Sanierungsbemühungen ist die Frauenmedizin einem besonderen Druck ausgesetzt. Schon länger wurden Stellen nicht besetzt – und im aktuellen Verfahren hat sich die Diako-Geschäftsführung dazu verstiegen, das Angebot der Frauenklinik im gynäkologischen Bereich stark einzuschränken, was einen verheerenden Rückschritt bedeuten würde. Dies rief und ruft Proteste in der Stadtgesellschaft hervor, aber die Geschäftsführung verharrt in widersprüchlichen Aussagen zu einem vollumfänglichen Weiterbestehen der Diako-Frauenmedizin. – Die Mehrheit der Kommunalpolitik verhält sich zu dieser massiven Benachteiligung von Frauen ausweichend und „hilflos“ und hat sich außer zu einer blumig formulierten Ratsresolution noch nicht zu klaren Forderungen nach einem uneingeschränkten Weiterbetrieb der Frauenklinik durchringen wollen. Frank Hamann, Vorsitzender der Linksfraktion, spitzte dies in der jüngsten Ratsdebatte so zu: „Wenn Männer Kinder bekommen könnten, gäbe es in jedem Dorf eine Gynäkologie!“
5. Last, but not least: Eine uneingeschränkte Fortsetzung von klinischen Schwangerschaftsabbrüchen, wie sie seit 1996 im Diako-Krankenhaus durchgeführt werden, im geplanten Zentralklinikum wird immer noch von der übergroßen Mehrheit der Flensburger Ratsfraktionen ausgebremst. Die Linksfraktion gehört in mehreren Ratsausschüssen zu den wenigen, die hier eine klare Kante einfordert, um die notwendige Versorgung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu garantieren. – Gerade erst wurde ein weiterer Ratsantrag der Linksfraktion von vielen anderen Fraktionen (Männern und Frauen!) in Bausch und Bogen abgelehnt, in dem auch die Option einer veränderten Trägerschaft für das Zentralklinikum in Betracht gezogen wird, falls sich die katholischen Malteser weiterhin gegen Schwangerschaftsabbrüche sperren sollten. Hier droht nun nicht nur eine weitere Verringerung des medizinischen Angebots, sondern auch ein handfester Rückschritt auf dem Rücken von betroffenen Frauen, die einen klinischen Abbruch explizit wünschen.
Diese 5 ausgewählten Punkte zeigen also deutlich, dass Frauenpolitik in Flensburg notwendiger ist denn je. Eine 24-stündige kämpferische Frauentagssymbolik jeweils am 8. März wird dafür jedoch nicht ausreichen. Deswegen unterstützt die Linksfraktion umso mehr die nun häufiger stattfindenden, vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen der (im weitesten Sinne) außerparlamentarischen Frauenbewegung und frauenpolitischen Initiativen der Stadt. Nur mit ihrem Einsatz dürfte es gelingen, die gravierenden Fehlentwicklungen und Rückschritte nicht nur in einer breiten Öffentlichkeit zu thematisieren, sondern auch auf konkrete, positive Veränderungen zu dringen.