Hat „die Wirtschaft“ noch den Durchblick?

Hat „die Wirtschaft“ noch den Durchblick?

Und: Reicht das aus fürs Bürgermeisteramt?

Frank Hamann, Vorsitzender der Flensburger Linksfraktion, geht in diesem Leserbrief kritisch mit dem jüngsten Treffen von Wirtschaftsvertretern mit der Flensburger FDP ins Gericht.

Eigentlich ist dies ein freies Land, und so steht es jedem frei, den eigenen Ruf auf die Weise zu schädigen, die ihn am besten dünkt. Aber wenn so viele Unwahrheiten und Klischees auf Kosten Unschuldiger gemacht werden, wie sie das Flensburger Tageblatt am 23.04. zitiert, muss ich mich doch mal zu Wort melden! Ordnen wir die Äußerungen doch mal ein.

Zur Entscheidung der Brauerei heißt es: „Wenn das noch einmal passiert, ist das schon die Definition von Schwachsinn“. Aha! Die Brauerei hat selbstverantwortlich eine unternehmerische Entscheidung getroffen und sich ausdrücklich bei der Stadtverwaltung für die hervorragende Zusammenarbeit bedankt. Die Stadt hatte die Intention der Brauerei, ihre Logistik an die Westerallee zu verlegen, sofort, blitzschnell und professionell unterstützt. Und zwar Verwaltung und Politik zusammen! Wenn die „Wirtschaftsfachleute“ das als Schwachsinn ansehen, liegt es wahrscheinlich daran, dass es für sie unverständlich ist, auf Bedenken und mögliche Klagen von Bürgerinitiativen zu reagieren. Das muss man nicht mal kommentieren.

Weiter heißt es: „In den letzten fünf Jahren hat sich in Flensburg überhaupt nichts bewegt.“
So so… Tatsache ist, dass sich in den letzten 5 Jahren derart viele Unternehmen in Flensburg angesiedelt, oder erweitert haben, dass Gewerbeflächen knapp geworden sind! Von den weiteren Erfolgen der WIREG mal ganz abgesehen.

Nächstes Zitat: „Hans Peter Kjer hat als Eigentümer mehrerer Immobilien die Entwicklung der Innenstadt in den vergangenen Jahren hautnah begleitet. ‚Wir haben mit Pact I und II vieles bewegt. Wir müssen nun ein Konstrukt finden, bei dem Geld da ist. Wenn man nicht das Kapital hat, kann man noch so viele Stadtmanager einstellen.‘“

Also, erstens ist es nicht die Aufgabe der Stadt, den selbstständigen Kaufleuten Geld an die Hand zu geben, um IHR Projekt zu stabilisieren (Was wir in der Vergangenheit aber trotzdem schon öfter gemacht haben)! Zweitens hat Herr Kjer als Immobilienmakler schlicht das Problem, dass niemand die überhöhten Mieten, die in der Innenstadt auch für seine Objekte verlangt werden, zahlen möchte oder kann. Wenn sich da jemand bewegen muss, dann doch Herr Kjer (Mietverzicht, Staffelmiete etc.)!

Nächstes Zitat: „Das Bahnhofshotel, die Erweiterung der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft und die Brauerei – in Flensburg haben zuletzt mehrere Bauvorhaben für Diskussionen gesorgt. ‚Wenn wir über Unternehmen sprechen, die sich erweitern wollen, heißt es, dass dieser Kapitalist nur Geld verdienen will‘, beklagt der FDP-Politiker Richert. Dabei sei es dem Gemeinwesen immer dann gut gegangen, ‚wenn die Kaufleute gut wirtschaften konnten.‘“

Aha, lass die Kaufleute machen, was sie wollen, und ihnen geht es gut. Mag vielleicht sogar stimmen, hat aber nichts mit Stadtverwaltung im 21. Jahrhundert zu tun, wenn Interessen der 95% nicht selbstständigen Einwohnerinnen unter den Tisch fallen sollen. Und dann noch der Ort, an dem das Gespräch (rein unter sich selbst!) stattfand: In der Kanzlei Müller & Partner. Wir erinnern uns. Das ist die Kanzlei, die zu dem geplanten Fahrradstreifen Kielseng gesagt hatte, da könne man gleich die Kanzlei zumachen, weil die Klienten nicht mehr hinkommen könnten! Was für eine Wirtschaftskompetenz…

Wenn ich jetzt noch die aktuell Gerüchteküche beachte, in der es heißt, FDP und CDU würden überlegen, Herrn Dr. Geyer als Oberbürgermeisterkandidaten aufzustellen, wird mir offen gesagt angst und bange. Der ist nämlich bei anderen Wirtschaftsvertretern und Verbänden nicht so gut angesehen, wie er gerne glauben machen möchte. Das liegt an seinen polarisierenden und stereotypen Aussagen, die nur spalten statt zu verbinden, was eigentlich seine Aufgabe als Arbeitgeberverbandsvorsitzender wäre.

Beispiele gefällig? „Die Verwaltungsspitze will offenbar alles selbst machen um zu glänzen und nimmt ‚ihre‘ Stadt in Geiselhaft und billigend in Kauf, dass die Unternehmen reihenweise Pleite gehen.“ – Oder: „Die Vorschriften zum Denkmalschutz werden in meinen Augen völlig überzogen angewendet.“

Oder das hier: „Man muss das Thema Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern von verschiedenen Seiten betrachten. Die viel zitierte Lohnkluft von 18 Prozent kommt zustande, weil viele Frauen in ihren Berufen weniger verdienen als Männer in anderen Berufen. Das liegt einfach daran, dass es einen Frauenüberschuss in bestimmten Berufen gibt, wie in der Pflege oder Erziehung, die in der Regel nicht so hoch vergütet werden wie klassische Männerberufe in der Metall- und Elektroindustrie oder der Baubranche. Es handelt sich also um Branchenunterschiede. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.“

– – – Auweia…