„Wir können uns einen Flensburger Sonderweg bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht leisten!“

Eine Mitteilungsvorlage zu einer Untersuchung der Bedarfssituation stößt auf deutlichen Widerspruch der Flensburger Linksfraktion
Bei der gestrigen Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses stand eine Mitteilungsvorlage (also nichts zum Abstimmen) mit dem etwas sperrigen Titel „Auftrag eines Gutachtens zum Thema Sicherstellung eines Angebots an Schwangerschaftsabbrüchen in Flensburg“ auf der Tagesordnung – also ein weiteres Kapitel in der „unendlichen (und gänzlich ungeklärten) Geschichte“…
Die Verwaltung teilt darin mit, dass klinische Schwangerschaftsabbrüche (außer in medizinischen Notfällen im neuen Krankenhaus nicht mehr möglich sein werden – als hätten wir das nicht schon längst gewusst! Für diese Blockade zeichnet, wie wir wissen, der katholische Teil der konfessionellen Trägergesellschaft verantwortlich. Bei Verwaltung und politischer Mehrheit wurde und wird dies bedauerlicherweise seit längerem als Tatsache zur Kenntnis genommen. Und anstatt dagegen Sturm zu laufen, winden sich beide und suchen nach einer Alternativlösung durch die Stadt Flensburg.
Zu diesem Zweck will die Stadt nun ein Gutachten bei der Flensburger Universität in Auftrag geben, dass die Bedarfe und Bedürfnisse von betroffenen Frauen, Beratungsstellen und der Fachmedizin untersuchen soll. Dazu erklärte die Vertreterin der Verwaltung, dass Prognosen über den Bedarf an klinischen Schwangerschaftsabbrüchen derzeit schwierig sind und dass das Gutachten nicht repräsentativ angelegt sein werde, sondern durch die Befragung der oben genannten Personengruppen „qualitativ“, also mit eher wenigen Personen.
In der Diskussion zu dieser Mitteilungsvorlage meldete sich Herman U. Soldan-Parima, sozial- und gleichstellungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, mit einem generellen Statement zu Wort:
„In der politischen Ausschussarbeit möchte ich die Situation auch politisch einordnen. Die Vorlage zeigt, dass sich die Stadt auf sehr, sehr unsicherem Grund bewegt. Vieles bleibt im Ungefähren, und auch die Kostenfrage des von der Mehrheit der Politik befürworteten Sonderweges ist immer noch völlig unklar. Ein Sonderweg bleibt ein Sonderweg – und so etwas passt weder zu einem neuen, modernen Krankenhaus noch in die moderne Zeit. Aber die politische Mehrheit hat es so gewollt.“
Gegen eine Daten- und Bedarfserhebung sei grundsätzlich nichts einzuwenden, erklärte er. Es sei aber problematisch, den Status einer bis jetzt selbstverständlichen medizinischen Leistung nach Fallzahlen und Bedarfen zu untersuchen. Begründung dafür ist eine religiös-ideologische Verweigerung einer solchen Leistung. „Diese Verweigerung ist in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig und zwingt die Stadt nun zu Winkelzügen und Neuplanungen – womöglich auch noch auf eigene Kosten. Das ist nicht hinnehmbar! Womöglich kommen nun auch noch andere auf die Idee, bei der medizinischen Versorgung einige Bereiche betriebswirtschaftlich darauf abzuklopfen, ob sie sich ‚lohnen‘ oder nicht… So geht das nicht!“
Herman U. Soldan-Parima machte nochmals darauf aufmerksam, dass der Vertrag der kirchlichen Trägergemeinschaft von evangelischer Diako und katholischen Maltesern noch gar nicht unterschrieben ist: „Verwaltung und politische Mehrheit tun so, als sei der Sonderweg einer zusätzlichen städtischen Versorgungseinrichtung alternativlos – aber das ist er nicht! Noch können wir auch seitens der Politik handeln und die Trägergemeinschaft stoppen um sicherzustellen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frauen im Rahmen der derzeit gültigen Gesetzeslage nicht durch eine religiös motivierte und hoffnungslos antiquierte Blockade unter die Räder kommt. Das muss doch nicht nur im Sozialausschuss, sondern auch in den anderen Ratsgremien möglich und mehrheitsfähig sein!“
Und er fügte hinzu: „Wir sollten alle ein modernes Krankenhaus wollen, in dem medizinisch und ethisch so gehandelt wird wie in allen anderen Krankenhäusern auch – ohne Sonderwege und Extra-Untersuchungen und auch ohne Extra-Kosten. Wir können uns das weder ethisch noch finanziell leisten! Und was passiert hier in Flensburg eigentlich, wenn demnächst die Vision der Oberbürgermeisterin Realität wird und nach der Bundestagswahl hoffentlich endlich die Paragraphen 218 und 219a gestrichen werden sollten…? Dann hätten wir eine neue Situation, womöglich mit ganz neuen ‚Bedarfen‘. Würden wir uns dann immer noch eine religiöse Starrköpfigkeit und Diskriminierung von Frauen im schicken, neuen Krankenhaus leisten wollen?!“
In der offenen Diskussion, aber nach dem Ende der Ausschusssitzung erhielt die Linksfraktion ein paar positive Rückmeldungen auf ihre Stellungnahme…
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Im Themenbereich „Sozialpolitik“ der Webseite der Linksfraktion sind 10 frühere Beiträge zum Thema „Schwangerschaftsabbrüche im neuen Krankenhaus“ nachzulesen.