Nahverkehr: Sozial(-ticket) nur – wenn‘s nichts kostet…?

Nahverkehr: Sozial(-ticket) nur – wenn‘s nichts kostet…?

Die Linksfraktion wurde mit ihrem aktuellen Antrag für ein attraktives Sozialticket ein zweites Mal ausgebremst – ausgerechnet von den Parteien, die hier und da immer wieder soziale Bekenntnisse hochhalten…

Die Einführung eines Sozialtickets für die Flensburger Stadtbusse ähnelt einer unendlichen Geschichte – und ein Happy-End ist höchst ungewiss: 2018 gab es einen ersten (ziemlich unkonkreten) Antrag für ein Sozialticket im Rat, der eine Mehrheit fand, aber zur Prüfung an die Verwaltung verwiesen wurde. Sie prüfte und prüfte – und legte Anfang 2020 ein Ergebnis vor. Schwerpunkt: Ein Sozialticket ist erst bei einem Rabatt von 50 Prozent wirklich effektiv.

Nun jedoch sollte das Sozialticket noch im Strategieprozess der Aktiv-Bus erörtert und geprüft werden. Von dort hieß es recht deutlich: „Wir machen, was die Politik will, aber wir brauchen Geld dafür!“. Daher starteten wir LINKE im Juni 2020 einen detaillierten Antrag im Sozialausschuss, der bei seiner Vorstellung Anerkennung und auch Lob fand – aber zustimmen wollten SPD, Grüne und SSW trotzdem nicht! Man wolle den Strategie-Prozess abwarten, hieß es – und man wisse ja gar nicht so genau, was das kostet… Die Linksfraktion zog daher zunächst den Antrag zurück.

Ein gutes Sozialticket lässt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit „runterhandeln“!

Die Linksfraktion hatte Geduld und beteiligte sich in den folgenden Monaten auf der Grundlage ihres 50-Prozent-Antrages aktiv an den meisten Strategie-Treffen. Dort gab es bald ein deutliches Signal: Das Sozialticket wurde in den Prozess eingearbeitet – aber: „Wir brauchen Geld dafür!“ Der Betrag wurde von Aktiv-Bus auf ca. 120.000 Euro pro Jahr beziffert. – Nun begann seitens des Vertreters der Grünen ein regelrechter Kuhhandel, denn er wollte sowohl so wenig städtisches Geld dafür ausgeben als auch als „Macher“ des Sozialtickets glänzen…

Zunächst ging es mit dem Grünen-Vertreter (und Ratsherrn) als Wortführer – in Opposition zum 50%-Konzept der Linksfraktion – um eine Rabattierung von nur 40 Prozent, die die Skepsis des Aufsichtsrates der Stadtwerke besänftigen sollte – und später sogar von nur 33 Prozent. Da die Linksfraktion bei diesem „grünen“ (?) Vorstoß nicht anwesend war, wurde dies unter Zustimmung anderer Parteien flugs in die Aktiv-Bus-Strategie eingearbeitet – entgegen der vorliegenden Fakten. Danach herrschte wieder langes Schweigen…

Ende Mai 2021 (also vor wenigen Wochen) „knallte“ die Verwaltung sehr plötzlich einen Minimal-Antrag für ein Sozialticket auf den Tisch, der nur im Planungsausschuss behandelt werden und aus dessen Budget für ein „Neubürger*innen-Ticket“ bezahlt werden sollte: Nur 33 Prozent Rabatt bei 70.000 Euro Kosten und einer nur 9-monatigen, undefinierten Testphase. – Wir von der Linksfraktion rieben uns die Augen: „Das darf nicht wahr sein, und das funktioniert nicht. So macht man das Sozialticket kaputt, bevor es überhaupt eingeführt wird“, war unser Tenor.

„Gewürge“ im Sozialausschuss: 2. LINKE-Antrag wird mit spitzen Fingern angefasst

Also legten wir einen Ergänzungsantrag als konkreten Gegenentwurf vor, der zunächst im Sozialausschuss auf die Tagesordnung kam: 50 Prozent Rabatt (möglichst auf alle Fahrscheintypen), eine städtische Finanzierung der notwendigen 120.000 Euro und eine erweiterte, klar definierte Testphase von 12 Monaten. Wir schrieben dazu: „Bei einem Beschluss für ein Sozialticket sollten alle Beteiligten ‚ins Gelingen verliebt‘ sein, d.h. die Attraktivität eines Sozialtickets muss schon in ihrer Projektierung gewährleistet sein.“

Im letzten Sozialausschuss am 14.06.2021 ging dann das „Gewürge“ weiter: Nach der Vorstellung des Minimal-Antrages durch die Verwaltung, brachten wir sehr engagiert unsere Ergänzung ein und baten um Zustimmung. Doch (besonders) SPD, Grüne und SSW hatten sich zuvor selbstverschuldet in eine Zwickmühle manövriert: Sie hatten einem 160.000 Euro teuren Antrag für einen kostenlosen Ticket-Tag pro Monat zugestimmt – und wurden nun sichtlich nervös, als wir dies als „sinnlosen und überteuerten Jux“ bezeichneten, dessen Mittel für ein Sozialticket viel besser eingesetzt werden könnten…

Es kam, wie es kommen musste: Zwar fanden auch SPD, Grüne und SSW „plötzlich“, dass eine 50-prozentige Rabattierung für ein Sozialticket wichtig wäre (CDU und FDP blieben stumm), aber zustimmen wollten sie dem LINKEN-Antrag dann doch wieder nicht… Die Grünen mäkelten an der Erweiterung auf Einzeltickets herum, die SPD sah mit Zustimmung des SSW keine konkrete Finanzierungsmöglichkeit (ach was!) und so weiter… Einig waren wir uns mit der SPD lediglich darin, dass die Behandlung des Themas in die „1. Lesung“ geschickt werden müsse, um zumindest irgendein besseres Ergebnis als die Verwaltungsvorlage zu erreichen. Dies wurde dann mit Mehrheit beschlossen.

Selbst Ratsfraktionen mit „sozialem Anspruch“ stecken den Kopf in den Sand…

Bei dieser Sozialausschusssitzung baten wir LINKE die anderen Parteien ausdrücklich darum, auch im Planungsausschuss, der den eigentlichen Beschluss fassen sollte, am Folgetag eine solche „1. Lesung“ zu beschließen. „Gewonnen“ war damit erstmal wieder nur Zeit und die Hoffnung auf eine spätere Beschlussfassung, die unseren Vorstellung hoffentlich näher kommen könnte… Doch es wurde noch kurioser:

Diese Rechnung war ohne die Grünen gemacht: Sie legten doch am nächsten Tag für den Planungsausschuss glatt eine Ergänzungsvorlage vor, in der auch ein Sozialticket für Kinder gefordert wird, ausgehend von der viel zu geringen 33-prozentigen Rabattierung – und unterzeichnet vom selben Grünen-Ratsherrn, der schon 2020 bei den Strategie-Treffen das Sozialticket „heruntergehandelt“ hatte! Die Grünen-Vertreterin im Sozialausschuss hatte sich wohl in ihrer eigenen Fraktion mit einer Präferenz für ein 50%-Sozialticket nicht durchsetzen können…

Am 15.06. im Planungsausschuss kam es dann gar nicht erst zur Diskussion der vorliegenden Anträge von Verwaltung, LINKEN (und nun auch den Grünen), denn der SPD-Ausschussvorsitzende beantragte als erstes die „1. Lesung“. Das war zwar konsequent, hat aber auch eine öffentliche Diskussion im eigentlich beschlussfassenden Ausschuss abgewürgt. Angesichts des unzureichenden Ursprungsantrags der Verwaltung wäre dies jedoch notwendig gewesen…

Wer „Shopping-Tickets“ finanziert, darf beim Sozialticket nicht knauserig werden!

Nun steh‘n wir ein weiteres Mal da „und seh‘n betroffen – den Vorhang zu und viele Fragen offen“. Aus Sicht der Linksfraktion ist und bleibt es grotesk, dass für ein sinnloses „Shopping-Ticket“, das 160.000 Euro verschlingt, die Hände hochfliegen, dass es aber für eine wegweisende soziale Entscheidung einer (auch klimapolitisch notwendigen) Verkehrswende fast nur finanzielle Bedenken gibt. Besonders SPD, SSW und Grüne spielen sich hier als Bedenkenträger auf und blockieren eine Mehrheit für diese sinnvolle (und noch nicht einmal besonders teure) Investition, die 25 Prozent der Flensburger Bevölkerung zugute kommen könnte.

Bei anderen Ratsbeschlüssen fließen Millionenbeträge ganz problemlos aus der Stadtkasse, doch bei diesem sozialen Kernthema verwehren sich dann die, die – wenn‘s gerade passt und möglichst wenig kostet – ihre eigenen sozialen Überzeugungen zur Schau tragen. Das nutzt den vielen Leuten, die sich regelmäßiges Busfahren wegen der zu hohen Ticketpreise gar nicht leisten können, überhaupt nichts. Es schadet allerdings der Glaubwürdigkeit der Kommunalpolitik erheblich.

Die Linksfraktion bleibt dabei: Ein wirkungsvolles und attraktives Sozialticket mit einem Rabatt von 50 Prozent und einem Maximalpreis von 25 Euro muss dringend her. Modelle in anderen Städten geben uns Recht – in der Millionenstadt Berlin kostet ein solches Ticket bei einem Top-Angebot bei Bussen und Bahnen übrigens nur 27 Euro. Und sowas sollte in Flensburg nicht möglich sein…??? Doch, es ist möglich – wenn man eine Sozialpolitik wirklich will und „ins Gelingen verliebt“ ist!