Unsere Eckpunkte für den kommunalen Umgang mit der Corona-Pandemie

Teil 1: Vorbemerkungen
Die Flensburger Ratsfraktion DIE LINKE sieht den Schutz der Bevölkerung vor der Ansteckung mit dem Covod-19-Virus in seinen unterschiedlichen Formen als ein vordringliches Ziel aller politischen Ebenen. Die dazu notwendigen und durch das Infektionsschutzgesetz abgedeckten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung, die auch Grundrechtseinschränkungen bedeuten, sehen wir für einen begrenzten Zeitraum als unumgänglich und vertretbar an. Diese Maßnahmen bzw. Einschränkungen müssen aber immer verhältnismäßig sein und dürfen sich nicht konzeptlos verselbstständigen. Dies wäre ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Grundgesetz und andere Freiheitsrechte.
Im derzeitigen Stadium der Pandemie ist seitens der verantwortlichen Behörden vorrangig all das zu tun, was die Testung der Bevölkerung in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens auf eine breite Grundlage stellt und für die Menschen kostenlos ermöglicht. Darüber hinaus muss die Option der Impfung beschleunigt werden, ohne dabei die Verantwortung für die Impfstoffversorgung ärmerer Regionen der Welt aus dem Blick zu verlieren. Zum Umgang mit der Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen sind seitens der EU und der Bundesregierung teils schwere Versäumnisse zu konstatieren, die dringend behoben werden müssen. Missstände im Pflegebereich und bei der Finanzierung des Krankenhauswesens haben sich in der Pandemiezeit weiter verschärft.
Die Ratsfraktion DIE LINKE sieht (insbesondere auf der Bundesebene) schwere Versäumnisse im Umgang mit den vielen einkommensschwachen Menschen in der Bevölkerung. Armut verfestigt sich und nimmt zu. Viele Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, sind nicht oder unzureichend abgesichert und nicht vor Armut geschützt. Kleinere Unternehmen und Solo-Selbstständige (z.B. aus dem Bereich der Kultur) sind in ihrer beruflichen Existenz stark gefährdet, während große Unternehmen schnelle und großzügige staatliche Unterstützung erhalten (und damit teilweise sogar noch Dividenden ausschütten). – All dies trägt zu nochmals verstärkter sozialer Ungleichheit bei, die neben der materiellen Existenzbedrohung auch die Demokratie (auf allen Ebenen) schwächt und damit die Gesellschaft in Gefahr bringt.
Die Kommunalpolitik (auch in Flensburg) muss weitestgehend auf Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene reagieren – und ist dennoch nicht von der Verantwortung frei, diese vor Ort im Sinne sozialer Gerechtigkeit, der Existenzsicherung und dem weitestgehenden Erhalt des öffentlichen Lebens umzusetzen – und, wo notwendig, Ressourcen dafür einzufordern.
Teil 2: Unsere 10 kommunalpolitischen Eckpunkte
Die Ratsfraktion DIE LINKE sieht im kommunalpolitischen und regionalen Bereich folgende Handlungsbereiche als vordergründig und wichtig an, um sowohl dem Infektionsschutz als auch dem sozialen Funktionieren der Gesellschaft gerecht zu werden. Dazu gehören auch eine Reihe von Maßnahmen, die schon jetzt (teilweise in ähnlicher oder anderer Form) gelten:
1. Kontakte minimieren und regelmäßiges Testen
2. Einzelhandel, Gastronomie, Kultur
3. Schulunterricht
4. Private Kontakte
5. Kinder und Jugendliche
6. Testen am Arbeitsplatz
7. Private Mobilität: In der Region bleiben
8. Impfstrategie anpassen
9. Ausgangssperren vermeiden
10. Transparente Corona-Politik
(1) Kontakte minimieren und regelmäßiges Testen
Das (überwiegend mutierte und noch ansteckendere) Virus überträgt sich nur durch menschlichen Kontakt. Daher ist auf Folgendes zu achten: 1. Die Kontakte müssen bei hohen Infektionszahlen auf ein minimales bzw. machbares und notwendiges Maß begrenzt werden (privat und in der Freizeit wie auch in Schule und Beruf). Und 2. Wo Kontakte notwendig sind, müssen Tests (oder Selbsttests) in dichter Folge durchgeführt und kostenlos angeboten werden. Das gilt insbesondere für Arbeitsplätze, Kitas, Schulen und Ausbildungsinstitutionen, aber auch für den Aufenthalt im öffentlichen Raum.
(2) Einzelhandel, Gastronomie, Kultur
Wo im Einzelhandel oder in öffentlichen und kulturellen Einrichtungen (z.B. Bibliotheken) sinnvolle Hygienekonzepte vorliegen, muss ein darauf beruhender Handel in Geschäften über die Lebensmittel- und medizinische Versorgung hinaus sowie der Besuch öffentlicher und kultureller Einrichtungen in begrenzter Form stattfinden können. Um das Personenaufkommen in Einkaufsstraßen, Einkaufszentren oder öffentlichen Einrichtungen zu begrenzen bzw. zu entzerren, könnte hierfür ein „Nummernsystem“ (z.B. Endziffer des Personalausweises oder der Aufenthaltskarte) eingeführt werden, das ein mindestens zweimaliges Handeln in den Geschäften pro Woche ermöglicht. – Gastronomie sollte auf absehbare Zeit nicht in Innenräumen stattfinden. Ein der Infektionslage angemessenes Angebot an Außengastronomie und Take-Away- und Lieferservices sollen aber möglich sein.
(3) Schulunterricht
Da die Infektion bei Kindern und Jugendlichen derzeit steigt (sie aber oft symptomfrei bleiben und als Überträger*innen in Familien und im weiteren privaten Bereich gelten), muss Unterricht in den Schulen weiter entzerrt werden, z.B. durch Wechselunterricht und (für die älteren Schüler*innen) Tutorunterricht bei Gewährleistung einer verbindlichen Teststrategie jeweils zu Unterrichtsbeginn. Eine gewisse (und für die Familien verlässliche und planbare) Präsenz in den Schulen muss jedoch gewährleistet werden, um für alle (!) Schüler*innen regelmäßige Schulbildung und soziale Kontakte stattfinden zu lassen.
(4) Private Kontakte
Im privaten Bereich müssen (besonders bei hohem Infektionsgeschehen) die Kontakte auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben, in der Regel auf den eigenen Hausstand. Im öffentlichen Bereich sollten Polizei und städtisches Ordnungspersonal dies angemessen kontrollieren. Für ältere und auf Hilfe angewiesene Menschen muss dabei immer mindestens eine familiäre Kontaktperson gewährleistet sein; darüber hinaus auch Pflege- und Betreuungspersonal.
(5) Kinder und Jugendliche
Für Kinder und Jugendliche sollten Kontakte mit sehr wenigen Freund*innen überwiegend im Freien, aber nicht in privaten Wohnräumen stattfinden. Kinder bis 12 Jahre dürfen sich in kleinen Gruppen zum Spielen außerhalb geschlossener Räume treffen (hier bieten sich evtl. Schulhöfe und Spielplätze als Begegnungsorte an). Auch Sport- und Freizeitangebote unter freiem Himmel können in einem begrenzten Rahmen angeboten werden.
(6) Testen am Arbeitsplatz
Alle Unternehmen müssen sehr zeitnah durch regelmäßige Testangebote (mehrmals wöchentlich) dafür sorgen, dass Infektionen am Arbeitsplatz schnell erkannt werden und Betroffene mit Krankmeldung in Quarantäne gehen. In betroffenen Familien soll infizierten Erwachsenen ein Quarantäne-Aufenthalt z.B. in Hotelzimmern ermöglicht werden bzw. es muss für eine Quarantäne des gesamten Hausstandes gesorgt werden.
(7) Private Mobilität: In der Region bleiben
Die private Mobilität sollte (von notwendigen beruflichen Fahrten abgesehen) auf den Stadt- bzw. Landkreis und die engere Region begrenzt bleiben. Touristische Aktivitäten und Reisen mit Übernachtungen an anderen Orten müssen unterbleiben, um externe Ansteckungsmöglichkeiten weitestgehend auszuschließen. Finanzielle Einbußen von Unternehmen an touristischen Orten werden durch das Hilfsprogramm der Bundesregierung zu 75% ausgeglichen.
(8) Impfstrategie anpassen
In der Impfstrategie sollen Menschen, die im Beruf zwangsläufigen Kontakt mit anderen Menschen haben(von der Feuerwehr über den Gesundheits- und Pflegebereich, pädagogische Tätigkeiten bis hin zu Angestellten im Einzelhandel), auf eigenen Wunsch eine höhere Priorität erhalten – auch um das hohe Infektionsrisiko für ihre Familien zu minimieren. Die Vergabepraxis von Impfterminen muss neu organisiert werden, damit die Impfanmeldung für alle nachvollziehbar und mit geringem zeitlichen Aufwand möglich wird. Dabei sollten Arztpraxen mit einem höheren Impfkontingent ausgestattet werden.
(9) Ausgangssperren vermeiden
Ausgangssperren müssen vermieden werden, insbesondere wenn es bereits starke Kontaktbeschränkungen gibt (z.B. Treffen mit nur 1 Person aus anderem Haushalt). Sie erscheinen den vielen Menschen, die sich an die geltenden Maßnahmen halten, eher als Bedrohung als als Hilfe.
(10) Transparente Corona-Politik
Corona-Politik (auch in der Kommune) muss verhältnismäßig, verständlich, transparent und nachvollziehbar sein. – Das Appellieren zur Einhaltung der jeweils gültigen Maßnahmen allein reicht nicht aus. Vielmehr müssen die Maßnahmen so konzipiert sein und kommunikativ so transportiert werden, dass in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz und ein „Mitmach-Effekt“ dafür entsteht – statt Frustration, Gleichgültigkeit oder Aggression. Hier gab es in der Vergangenheit auf allen politischen Entscheidungsebenen Versäumnisse und Fehler, die die Politik Glaubwürdigkeit gekostet haben und die sich nicht wiederholen dürfen.
Teil 3: Abschluss – Die Flensburger Linksfraktion und die Stadtverwaltung
Wir unterstützen die Arbeit und die Anstrengungen der Flensburger Stadtverwaltung in den Bereichen, die nachgewiesenermaßen und in angemessener Form den Schutz der Bevölkerung vor einer Ausbreitung der Ansteckung mit dem Covid-19-Virus sicherstellen. Wir bedanken uns für wichtige Ergebnisse der Bemühungen der Stadtverwaltung.
Besonderes Augenmerk legen wir gleichzeitig darauf, dass wichtige soziale Kontakte (insbesondere für junge und ältere Menschen) sowie die Zugänglichkeit von Kitas, Schulen, Arbeit und Handel im vertretbaren Rahmen gewährleistet bzw. ermöglicht werden.
Wir erwarten darüber hinaus von der Verwaltungsspitze der Stadt, dass sie sich für eine sozialere Ausgestaltung der übergeordneten Maßnahmen von Bund und Land vernehmbar einsetzt, um die bestehende Ungleichheit in der Stadtgesellschaft nicht noch weiter zu verstärken.