Vorderste Aufgabe muss sein, der Bevölkerung die Ängste zu nehmen!“

„<strong>Vorderste Aufgabe muss sein, der Bevölkerung die Ängste zu nehmen!“</strong>

Für die Haushaltsdebatte in der Ratsversammlung vom 26.01.2023 hatte der Vorsitzende der Linksfraktion Frank Hamann die hier verschriftlichte Rede vorbereitet:

Um es vorwegzunehmen: Die Ratsfraktion Die Linke wird diesem Haushaltsentwurf zustimmen. Nicht, weil wir mit allem, was darin steht, einverstanden sind, sondern weil es eine Notwendigkeit ist. Und weil darin auch die dringend notwendigen Personalaufstockungen verankert sind.

Immer mehr Aufgaben, die immer komplexer werden und durch Landes- bzw. Bundesentscheidungen aufoktroyiert werden, belasten unsere Mitarbeiter*innen von Monat zu Monat mehr. Von den Rosinen, die die Kommunalpolitik hier manchmal im Kopf hat und die Verwaltung so nebenbei mal durchplanen lässt, ganz zu schwiegen. Dem muss dringend mit mehr Personal gegengesteuert werden!

Soweit zu dem Guten, den Notwendigkeiten diese Haushaltsentwurfes. Was uns nicht gefällt, sind die vielen versteckten sogenannten freiwilligen Leistungen und wirkungsfreie, aber wähler- und klientelwirksame Ausgaben, die Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen, dort hineingestimmt haben. Frau Hoihus , die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, hat schon mehrfach an dieser Stelle mahnende Worte dazu gesprochen. Leider verhallen diese Worte offenbar ungehört.

Die SPD hat permanent Zweifel und Einwürfe bei gesetzlichen Pflichtausgaben wie Feuerwehr, Ordnungs- oder Rettungsdienst. Sie hat aber kein Problem damit, eine zweite Schwimmhalle zu fordern, die nicht nur tausende Tonnen grauer Energie in ein angrenzendes Waldstück gießt, sondern bei vernünftiger Betrachtung und vernünftiger Belegungsplanung gar nicht nötig wäre.

Im Christiansenpark werden bedenkenlos Sonderwünsche der Museen mit hohen sechsstelligen Beträgen zusätzlich in die Natur gepflastert. Und die Millionen drumherum für gesägtes Kopfsteinpflaster sind da noch nicht mal mit drin.

Die CDU verteidigt tapfer die Pfründe des Landestheaters, das sich Jahr um Jahr Millionen zusätzlich auf die hohe Kante legt, die es gar nicht braucht, außer um am Ende des Tages die neue Spielstätte in Schleswig zu finanzieren, was nebenbei bemerkt illegal wäre…

Es würde mich als Künstler*In in Flensburg wahnsinnig ärgern, wenn unser größter Posten im Kulturetat nicht kritisch überprüft würde, ich aber gleichzeitig nicht die beantragten 500 Euro erhalte, um hier vor Ort mein Kunstprojekt endlich präsentieren zu können. Alleine der Gedanke, dass die Flensburger Kulturszene darbt, während sich das Landestheater fett frisst, sollte Sie doch nachdenklich machen.

Von der notleidenden Flensburger Musikschule ganz zu schweigen, wo es dringend angezeigt wäre, feste Tariflöhne für die Dozenten bezahlen zu können, damit man sie halten oder neue einstellen kann, oder den Kasten einfach mal zu sanieren.

Ein Heulen und Zähneklappern setzt ein, wenn Die Linke soziale Notwendigkeiten und Selbstverständlichkeiten in dieser Stadt der darbenden Mehrheiten fordert. Die Schlachten um Sozialtickets, sozialen Wohnungsbau, einen Sozialstromtarif oder ein Verbot von Stromsperren und um eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft habe ich nicht vergessen. Und ich habe auch nicht vergessen, wie Sie abgestimmt oder sich dazu geäußert haben.

Es müssen endlich, was meine Fraktion schon seit Jahren fordert, dringend Priorisierungen vorgenommen werden, wofür das wenige Geld, über das wir tatsächlich selbst bestimmen können, ausgegeben wird.

Um so dankbarer bin ich Herrn Dunken und seinem Team von ECHTEN und nicht selbsternannten Finanzexperten dafür, dass sie ein fachbereichsübergreifendes Priorisierungsverfahren entwickeln,

das transparent und für Laien nachvollziehbar sein wird. Es scheinen den meisten hier die simplen Lebenserfahrungen eines Leitungsbeziehers, wie ich und tausende Flensburger*innen es sind, zu fehlen.

Jede Ausgabe, und sei sie noch so klein, wird überprüft, ob das Geld überhaupt verfügbar ist, was die Ausgabe tatsächlich bringt, was mögliche Folgekosten sind, und ob ich wirklich brauche, was ich bezahle, oder ob andere Dinge nicht vielleicht erst mal sinnvoller wären. Vernunft und Pragmatismus eben.


Aber hier, so mein Eindruck, hat jede Fraktion eine eigene, imaginäre Klientel die es zu bedienen gilt. Vielleicht weil es potentielle Wählerschaften sind. Vielleicht, weil man sich gut kennt. Vielleicht, weil es dem eigenen Lebensbild entspricht. Aber eben dieses hier oft gezeigte Lebensbild entspricht leider genauso oft nicht den Realitäten in dieser Stadt!

Und falls Sie es immer noch nicht begriffen haben: Flensburg ist eine bitterarme Stadt mit einer überwiegend bitterarmen Bevölkerung. Und die hat Ängste! Ängste um die bezahlbare Wohnung, Ängste um die Energierechnungen, Ängste um den Essenseinkauf, Ängste vor Weihnachten und dem nahenden Kindergeburtstag, Ängste nicht am Leben teilhaben zu können, weil das Geld dazu fehlt. – Es muss unsere vorderste und edelste Aufgabe sein, diese Ängste zu nehmen oder wenigstens ernsthaft zu lindern!

Wenn ich am kulturellen Leben nicht mehr teilhaben kann, weil ich den Bus dahin nicht bezahlen kann, ist es mir ziemlich schnurz, ob der Christiansenpark schnuckelig aussieht oder so geblieben ist, wie er vorher war. Ich war wie viele andere seit Jahren nicht mehr im Landestheater, aber sehr wohl bei Veranstaltungen der freien Künstler*innen in dieser Stadt.

Ich begleite seit über zehn Jahren Menschen in dieser Stadt ehrenamtlich, um sie dabei zu unterstützen, ihre Rechte gegenüber Ämtern und Vermietern anzumelden und geltend zu machen.

Was ich in den Kreisen der Notleidenden erfahren habe, ist bedingungslose Solidarität und Verlässlichkeit! Was ich dabei an Notwendigkeiten und Mangel erfahren habe und immer noch erfahren muss, findet sich leider überwiegend NICHT in diesem Haushalt wieder.

Und das ist nicht die Schuld der Verwaltung, es ist die Schuld dieser Versammlung hier!