Wenn Demokratie zum Ego-Projekt wird…

Frank Hamann, Fraktionsvorsitzender der Flensburger Linksfraktion, reagiert in seinem Leserbrief „Ritter, Paysen und die Würde der Demokratie“ auf wiederholte Versuche im Flensburger Rat, demokratische Rechte nur auf sich selbst zu beziehen
Seit mehr als einem Jahr muss die Öffentlichkeit in der Flensburger Ratsversammlung mit anhören, wie sich ein Corona-Leugner immer wieder in den Vordergrund nennt. Was Marc Paysen von der Fraktion „Flensburg wählen“ dort Mal um Mal vorträgt, sind ellenlange Texte mit äußerst zweifelhaften Quellen und noch kruderen Forderungen – mal in Ratsanträge, mal als Resolution, mal in die seitenfüllende Form von Mitteilungsvorlagen oder Anfragen verpackt.
Seit einigen Monaten entschließen sich mehr und mehr Mitglieder der Ratsversammlung dazu, für die Dauer der von Paysen gesetzten Tagesordnungspunkte den Sitzungssaal zu verlassen. Hier und da gibt es auch Erwiderungen vom Rednerpult aus, wie jüngst die engagierte Stellungnahme des CDU-Ratsmitglieds Bernd Strümpel, der Paysen überzeugend der Falschinformation überführte.
Frank Hamann bemerkt dazu in seinem Leserbrief: „Dass er sich bewusst ist, keine Mehrheiten zu bekommen, weil es dafür seit eineinhalb Jahren nur jeweils zwei Stimmen aus seiner Fraktion gibt, spielt keine Rolle. Er möchte lediglich Punkte für die Partei ‚Die Basis‘ sammeln, die seit einiger Zeit das Publikum für Ausschusssitzungen stellt. Ich bin aus dieser Gruppe selber in der Pause vor der Tür verbal attackiert worden, weil ich einen Schlips mit dem Landeswappen Schleswig-Holsteins trug…“
Und weiter: „Denn so wie der Rat Herrn Paysen die Freiheit gewährt, Landtagswahlkampf für ‚Die Basis‘ zu machen und dabei unverfroren, weil fruchtlos, über die Zeit der Ratsmitglieder und Arbeitszeit der Mitarbeiter*innen der Verwaltung verfügen zu wollen, so steht es selbstverständlich den Ratsmitgliedern frei, den Saal zu verlassen, wenn er versucht, uns alle in sein ‚Universum der Verschwörungstheorien‘ zu entführen.“
Frank Hamann kritisiert dabei auch die Einlassungen von Ratsfrau Gabriele Ritter von der Fraktion „Bündnis solidarische Stadt“ (BSS). Sie hatte in der letzten Ratsversammlung der Mehrheit von ausgewanderten Ratsmitgliedern „undemokratisches Verhalten“ vorgeworfen: „Eine bodenlose Unverschämtheit!“, bemerkt Frank Hamann dazu – sowie: „Jetzt wurde durch sie eindeutig eine Grenze überschritten, was unkommentiert nicht mehr hinnehmbar ist!“
Am Montag vor der Ratsversammlung habe Ritter in einer Gremiensitzung noch den Umgang mit Ratsherr Paysen und das Verlassen des Ratssaales, wenn er seine „Resolutionen“ und durch unhaltbare „Fakten“ angeblich belegten Anträge vorträgt, moniert und angekündigt, dagegen vorzugehen, doch schon am nächsten Tag habe sie eine Kostprobe davon gegeben, „was die selbsternannte ‚Hüterin der Demokratie‘ darunter versteht“, schreibt Frank Hamann.
Aus dem Planungsausschuss berichtet er: „Sie legte sich mit dem SUPA-Vorsitzenden Kohrt an, weil sie meinte, auf der Redeliste benachteiligt zu werden. Auch nachdem Herr Kohrt in aller Seelenruhe erklärte, dass er sie sehr wohl auf der Redeliste hätte (sie war kein Ausschussmitglied!), aber noch 10 Wortmeldungen vor ihr dran wären, keifte sie weiter: ‚Undemokratisch… Ich bin jetzt dran!‘.“
Und weiter schreibt Frank Hamann: „Als dann letztlich ein Geschäftsordnungsantrag mehrere Punkte der Tagesordnung, die konsensual waren, en bloc und ohne Einbringung der Vorlagen, aber mit Nachfragemöglichkeit abzustimmen mehrheitlich angenommen wurde, gab es für sie und ihre Schimpftiraden aus dem Publikum kein Halten mehr. Konsequenz: Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde war Herr Kohrt gezwungen, den Rest der Tagesordnung zu streichen. Auch der mehrheitlich angenommene Geschäftsordnungsantrag (Demokratie!) interessierte Frau Ritter hierbei nicht.“
Nach diesen Vorkommnissen sowie nach dem Vorwurf den „undemokratischen Verhaltens“, den BSS-Ratsfrau Ritter in der jüngsten Ratsversammlung vorgetragen hatte, resümiert Frank Hamann: „Aus meiner Sicht lässt sich das Demokratieverständnis von Frau Ritter so zusammenfassen: Alle demokratisch getroffenen Beschlüsse, die ihr nicht passen sind (Zitate) ‚Undemokratisch‘, ‚Hinterzimmerkungelei‘, ‚Unter Ausschluss der Öffentlichkeit‘, ‚Korrupt“…! – Ich bin heilfroh, dass sie unsere Ratsfraktion verlassen hat!“
Dass Ratsfrau Ritter auch gegen eigene Fraktions- und Parteimitglieder unverschämt und ausfallend wird, haben einige Mitglieder der Linksfraktion aus den Zeiten des Konflikts von 2018/19, den sie selbst ausgelöst hatte, noch sehr deutlich in Erinnerung. – Aus der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses berichtet Frank Hamann in seinem Leserbrief nun, dass Ritter auch ihren BSS-Kollegen Pepmeyer vor aller Augen und Ohren mit diesen Worten zusammenstauchte: „Halt die Klappe, Jörg!“