„Wer von ‚toten Pferden‘ schwadroniert, hat selbst Scheuklappen auf!“

„Wer von ‚toten Pferden‘ schwadroniert, hat selbst Scheuklappen auf!“

Bericht aus dem Sozial- und Gesundheitsausschuss (SuG) vom 15.02.2021

Auch in dieser Sitzung gab es einen Überblick über die aktuelle Corona-Situation. Sozialdezernentin Karin Welz-Nettlau wies auf die hohen Infektionszahlen hin, die auch die Lage im für Corona-Behandlungen verantwortlichen Franziskus-Hospital weiterhin angespannt bleiben lässt. Im Gesundheitsamt wird zur besseren Bearbeitung der Infektionsfälle eine neue Software eingesetzt.

Herman, der die Flensburger Linksfraktion im SuG vertritt, sprach das Risiko sozialer Hotspots an, da sich die Ansteckung für Leiharbeiter*innen in beengten Mehrbettzimmern, für Geflüchtete in einer Sammelunterkunft sowie bei Familien mit mehreren Personen in kleinen Wohnungen in den Fallzahlen erkennen bzw. vermuten lässt. Die Ratsfraktion DIE LINKE hat auf diesen Umstand bereits aufmerksam gemacht: Der Entstehung sozialer Infektions-Hotspots in beengten Wohnverhältnissen vorbeugen!

Dezernentin Welz-Nettlau verwies bezüglich der Leiharbeiter*innen darauf, dass die Stadt nicht zuständig sei, sondern der Landesarbeitsschutz, der sich des Themas bewusst sei. Darüber hinaus würden die AWO und die Fachstelle der Stadt in konkreten Fällen eine notwendige Versorgung übernehmen. Der Ausschussvorsitzende Edgar Möller (SSW) verwies zu dieser Diskussion auf die Erörterung des Themas in einem Informationsgespräch. Das Thema bräuchte hier also nicht abermals ausführlich behandelt zu werden. Dem entgegnete Herman entschieden, dass solche Gespräche nicht die Rolle des Ausschusses ersetzen könnten (und dürften) und dass relevante Themen selbstverständlich im SuG erörtert werden müssen.

Claudia Remark vom Flensburger Jobcenter, legte die aktuellen Zahlen vor und erläuterte, dass die Zahl der Transferleitungsbezieher*innen (aktuell 11.000, plus 3.100 Arbeitslose im SGB-II-Bezug) derzeit etwa auf dem Stand der „ersten Welle“ vom Frühjahr 2020 lägen – und damit etwas niedriger als im Sommer. Durch den anhaltenden Lockdown sei jedoch ein Anstieg – auch für Kurzarbeitsgeld und für Solo-Selbstständige (derzeit jeweils über 100). Die Kosten für „Leistungen zum Lebensunterhalt“ sowie für Wohnen und Heizung liegen in Flensburg derzeit bei 32,3 bzw. knapp 30 Millionen Euro. Ein Anstieg für 2021 sei zu erwarten.

Auch diesmal stand das Thema Schwangerschaftsabbrüche wieder auf der Tagesordnung. Die SPD hatte einen Antrag vorgelegt, in dem sie ein „Umsetzungsgremium“ für die städtischen Pläne und Leistungen in dieser Sache fordert. Die Linksfraktion hatte dazu einen Ergänzungsantrag eingebracht : Hier die Vorlage GA-2/2021 1. Ergänzung einsehen.

Er fordert die vollumfängliche Sicherstellung eines klinischen Angebots für Schwangerschaftsabbrüche, ggf. auch eine Neuverhandlung der Trägerschaft, wenn der katholische Teil der neuen Krankenhausträger bei seiner Blockade von Schwangerschaftsabbrüchen bleibt.

Im LINKE-Antrag heißt es u.a.: „Es geht auch darum, eine bisher bestehende Regelung der sozialen Indikation für klinische Schwangerschaftsabbrüche nicht durch ein in sozialer, persönlicher und gesellschaftlicher Sicht geringeres Angebot zu ersetzen, nur weil ein Teil der neuen Krankenhaus-Trägergesellschaft aus religiös-ideologischen Gründen die Fortführung der bisher geltenden Regelung verweigert.“

Der Antrag wurde von Oberbürgermeisterin Lange, der Gleichstellungsbeauftragten Verena Balve sowie den anderen Fraktionen allerdings eher „mit spitzen Fingern“ angefasst. Der Ausschussvorsitzende Möller (SSW) polterte, die Linken würden „ein totes Pferd reiten“, nun müsse pragmatisch gehandelt werden…

Abgestimmt wurde danach nur der SPD-Antrag, der nach der Aufnahme einiger Formulierungen der Grünen eine einhellige Zustimmung fand. Auch Herman stimmte ihm für die Linksfraktion zu, da er – wenn auch nicht ausreichend – eine klarere Stellungnahme der Stadt zu zukünftigen Schwangerschaftsabbrüchen in Flensburg und seinem Umland einfordert.

Nach dem Ausschuss schätzt Herman die Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche wie folgt ein:

„Eine übergroße politische Mehrheit hat sich, schon lange bevor die Stadt überhaupt Details zum zukünftigen Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen vorgelegt hat, mit der Weigerung der Trägergemeinschaft von Diako und Franziskus für das geplante Krankenhaus abgefunden. Mangelnder Mut, die notwendige Auseinandersetzung zu suchen, lässt sie auf einen ‚Flensburger Sonderweg‘ hoffen, den wir Linke aus Gründen der Selbstbestimmung von Frauen und einer Gleichstellung mit Frauen in anderen Regionen, nicht mitgehen können. Die Stadt und die politische Mehrheit scheinen eher von Rat- und Hilflosigkeit gekennzeichnet. Das bedauern wir sehr. Wer aber hier von ‚toten Pferden‘ schwadroniert, hat wohl eher selbst die Scheuklappen auf!